Fahrtenbericht Georgien 2017

Fahrtenbericht Georgien 2017

Wenn man auf Fahrt von einem Autofahrer gefragt wird ob das die richtige Straße nach Teheran sei und man im Rücken den Kasbek hat, weiß man, dass man Zentraleuropa wohl verlassen hat.

07.10.-14.10.2017

Zu fünft stiegen wir also in freudiger Erwartung aus dem quietsch-pinken Flieger unserer Airline auf georgischen Boden in Kutaissi, Zentralgeorgien. Bepackt mit einem Seesack mit Kohte und Kocher und einem großen Gepäckbonbon – bestehend aus zwei ineinander gestülpten Laubsäcken (wir waren nicht die einzigen mit solchen Laubsäcken als Kofferersatz 😊) – voll mit unseren restlichen Habseligkeiten machten wir uns auf den Weg. Nach einer kurzen aber bequemen Nacht auf den Sitzgelegenheiten im Flughafen (auch hier waren wir mal wieder nicht die Einzigen, die es sich dort über Nacht gemütlich machten 😊) organisierten wir uns einen fahrbaren Untersatz, denn mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man in Georgien nur schlecht voran, und fuhren los ins Abenteuer.

Der zum größtenteils, milde gesagt, schlechte Zustand der Straßen kam uns zumindest dahingehend zugute, dass wir auch beim Fahren mehr von der Schönheit der Landschaft genießen konnten, wenngleich wir nur äußerst langsam vorankamen. In einem so gläubigen Land wie Georgien gibt es natürlich noch – oder besser wieder – viele kleine orthodoxe Klöster. Ein besonders interessantes Exemplar konnten wir gleich zu Beginn unserer Reise besuchen. Es befindet sich auf einer 40 Meter hohen, natürlichen Basaltsäule, der sogenannten Katskhisäule. Eine imposante Anlage, vor allem wenn man bedenkt, dass es nur eine Leiter und eine kleine Materialseilbahn (diese existiert auch erst seit kurzem) zum Kloster gibt und alles mühsam dorthin transportiert werden muss.

Weiter entlang der malerischen Straße lag Tschiatura, eine von der Welt vergessene, gespenstisch anmutende alte Bergarbeiterstadt, die bedingt durch ihre Tallage dutzende Seilbahnen zum Transport von Material und Mensch nutzt. Die Seilbahnen dort haben, so wie die ganze Stadt, ihre besten Zeiten schon ein paar Jahrzehnte hinter sich, was uns aber nicht davon abhielt ein paar Touren mitzufahren. Alle Fahrten waren gratis und boten einen grandiosen Blick auf die Stadt, wenngleich die Rostlöcher im Kabinenboden auch ein mulmiges Gefühl mit sich brachten.

Gleich bei der ersten Schlafplatzsuche durften wir die große Gastfreundlichkeit der Georgier kennenlernen. Die Einheimischen waren alle sehr erfreut über unseren Besuch und halfen uns gerne. Vor allem unterhielten sie sich – meist auf gebrochenem Russisch – besonders interessiert mit uns. Schon zum Abendessen in der Kothe kamen uns zwei Männer aus dem Dorf besuchen und sangen gemeinsam mit uns unsere Fahrtenlieder. Das Ergebnis dieser deutsch-georgischen Singerunden war vielleicht nicht ganz singewettstreittauglich – weil ein wenig durcheinander – ein großer Spaß war es jedoch allemal. Auch dieser Abend endete – wie die allermeisten – in einer Wohnstube der Georgier, die uns dort noch mit allem was die Speisekammer hergab bewirteten.

Am nächsten Morgen ging es, nach einem gemeinsamen Frühstück mit den Männern des Dorfes, welche sich nach dem Auftrieb der Nutztiere auf die Weiden spontan zu uns gesellten, weiter in Richtung der Felsenstadt Uplisziche in der Nähe von Gori. Sie war einst ein Handelszentrum gelegen an einem Nebenarm der Seidenstraße und vollständig aus den Felsen herausgeschlagen. Nur kurz gab es noch einen kleinen Snack am Straßenrand, ein paar Feigen und andere Früchte aus der Region, bevor wir uns schon wieder auf den Weg machten, denn wir hatten noch einen weiten Weg vor uns: Der Kasbek war das nächste Ziel.

Dazu musste die Georgische Heerstraße bezwungen werden. Die Fahrt entlang dieser imposanten Straße ließ uns sehr schnell verstehen, warum schon vor über 200 Jahren russische Dichter und Schriftsteller wie Puschkin, Tolstoi und Gorki von der Landschaft und der Stimmung entlang der Route fasziniert waren. Welche Strapazen der Ausbau dieser Route wirklich bedeutet haben musste, können wohl nur die Zwangsarbeiter und für den Bau verantwortlichen Ingenieure wiedergeben. Kurz bevor wir auf den Kreuzpass – dem mit 2379 m höchsten Punkt der Heerstraße – kamen, bot sich uns noch ein grandioser Ausblick auf die umgebene Landschaft. Ironischerweise von einer Aussichtsplattform, die 1983 noch zum 200. Jahrestag des Traktats von Georgijewsk errichtet wurde und damit ein Zeichen der Einigkeit zwischen Russland und Georgien sein sollte. Heute steht sie in nicht einmal 10 km Entfernung (Luftlinie) zu Südossetien, einem von zwei Staaten, die bis heute für den seit 1991 andauernden Konflikt zwischen Russland und Georgien stehen.

Im Schatten des Kasbek, in der Ortschaft Stepansminda angekommen, beschlossen wir den Abend mit einem gemeinsamen Abendessen in einem der Gasthäuser, bevor wir unser Quartier für die Nacht bei einem Trupp Bauarbeiter in einem ansonsten leerstehenden Haus bezogen. Auch hier wurden wir wieder mit herzlicher Gastfreundschaft empfangen und sangen und aßen bis spät in den Abend mit den Georgiern. Hier lernten wir auch einiges über die Tischmanieren in Georgien (von Trinksprüchen und dem „Tischherrn“).

Am nächsten Morgen fuhren wir – nach einem ersten gescheiterten Selbstversuch – dann doch mit einem einheimischen Fahrer eine mehr einem steilen Gebirgstrampelpfad ähnelnde „Straße“ zum Vorzimmer des Kasbeks herauf, wo das kleine Kloster Kazbeki malerisch auf einem Felsplateau im Schatten des Gipfels thronte. Von hier hatte man einen wunderbaren Blick auf die sonnenumflutete schneebedeckte Gipfelspitze. Zurück im Tal stärkten wir uns alle noch einmal bei Mittagessen und Tee, bevor wir uns auf den Rückweg entlang der malerischen Heerstraße machten. Bei einem kurzen Halt an der Festung Ananuri, gelegen am Ufer des Stausees von Shinwali, konnten wir uns bei der Besichtigung der Anlage alle noch einmal die Füße vertreten, bevor wir uns weiter in Richtung Tiflis begaben.

Bei strömendem Regen auf der Autobahn dann ein Schockmoment: Funken aus dem Motorraum. Der erste Gedanke: Wo ist der Feuerlöscher? Aber nachdem sich die erste Aufregung legte, war klar: Die Batterie war nur verrutscht. Mit unserer pfadfinderischen Improvisationsgabe und einem vom Wegesrand abgesägten Stück Holz war die Batterie wieder fixiert, das Problem gelöst und wir völlig durchnässt.

In Tiflis angekommen führte uns der erste Weg direkt in eines der vielen Schwefelbäder, die uns alle Strapazen der letzten Tage vergessen ließen. Im Anschluss konnten wir für einen schmalen Taler im Gemeinschaftsraum eines Hostels in der historischen Innenstadt übernachten. Eine Übernachtungsmöglichkeit in bester Lage also, und mit unserem armenisch-französischen Gastgeber war auch noch für beste Unterhaltung gesorgt.

Am nächsten Morgen auf unserem Stadtrundgang wurde uns schnell klar: Tiflis hat nicht umsonst den Beinamen „Paris des Kaukasus“, wenngleich man die Schönheit der Gebäude teilweise hinter viel Patina und Schmutz erst suchen musste. Durch die ganze Stadt zogen sich neben zerfallenen und schön hergerichteten alten Villen, vor allem im Jugendstil, auch viele sehr moderne Bauten. Die Altstadt selbst war ein charmantes Gewirr aus Gassen, Häusern, Kirchen und kleinen Plätzen. Hier lernten wir auch, dass es überall in Georgien kleine Bäckereien gibt, in denen man laufend frisch gebackenes Fladenbrot aus dem Steinofen und auch viele andere Leckereien bekommt. (Dieses Wissen nutzen wir auch auf dem Rest unserer Fahrt ausgiebig! 😊) Nach einem ausgedehnten Stadtrundgang beschlossen wir den eindrucksvollen Tag mit einer Seilbahnfahrt über den Fluss Mtkwari mit wunderbarem Ausblick auf die Stadt, diesmal allerdings ohne zusätzlichen Blick durch Rostlöcher im Boden.

Die Nacht verbrachten wir schon wieder einige Stunden entfernt von der Hauptstadt, damit wir am nächsten Morgen gleich früh wieder ins Gebirge aufbrechen konnten, diesmal um in die sagenumwobene Stadt Mestia zu gelangen. Dort hoch führte nur eine einzige, schmale Gebirgsstraße, die sich viele Kilometer an einem reißenden Fluss entlang schlängelt. Dieser Ort liegt so weit abseits, dass er auf keiner unserer beiden Landkarten korrekt verzeichnet war. (Das sollte sich aber in naher Zukunft ändern, auf dem Hinweg kam uns ein Google-Street-Car entgegen 😊)

Dort angekommen war der Ort wie aus der Zeit gefallen: alte Bauernkarren reihten sich an Wehrtürme zwischen engen unbefestigten Wegen. Hin und wieder spitzte auch schon das eine oder andere neumodische Haus und der Beton von einer der vielen Baustellen heraus, aber bis auf einen modernen Miniflughafen war es ein naturbelassener Ort.

Nach einem schönen Singeabend in der Kothe und einer kalten Nacht mit dem ersten Frost konnten wir den nächsten Tag mit einem grandiosen Ausblick auf den Kaukasus beginnen. Mit der Seilbahn machten wir uns dann auf zum Startpunkt einer Wanderung, auf der wir mit einem wunderbaren Ausblick in die umliegenden Täler belohnt wurden.

Alsbald mussten wir uns dann leider auch schon wieder auf den Rückweg machen. Sieben Stunden Autofahrt und 3000 Höhenmeter später waren wir froh, dass uns eine nette georgische Familie ein Lager für die Nacht anbot.

Bevor wir uns von Georgien verabschieden mussten, konnten wir es uns dann nicht nehmen lassen, beim Anblick des schneebedeckten Kaukasus in der Ferne eine Abkühlung im Schwarzen Meer zu genießen. Mit unseren letzten Devisen konnten wir noch ein letztes Mal frisches georgisches Brot und Kekse für den Flug einkaufen, bevor es wieder zurück zum Flughafen ging.



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